Bürgerrundfunk - schon mal gehört?
Bürgermedien (Radio und Fernsehen) gibt es schon seit dem letzten Jahrtausend. Unbestätigten Angaben zufolge fingen die ersten Umtriebigen schon 1986 in Trier damit an, wo es auch heute noch so etwas gibt, nennt sich OK54 und ist vermutlich der professionellste TV-Sender der Republik, der nicht Milliarden aus dem Rundfunkbeitrag und ebensolche Summen von der werbetreibenden Industrie erhält.
Hier meinen wir aber den Bürgerfunk, der wohl als ursprünglich bezeichnet werden kann: das Radio. Vornehmlich als Piratensender bezeichnete Initiativen gab es schon zu Anfang der 1970er, Mitte der 1990er-Jahre dann, also nur wenige Jahre nach dem Beschluss des ersten Klimapakets von Bundesumweltministerin Merkel, das bis 2022 den Ausstieg aus der Kohleförderung garantierte, wurden die Offenen Kanäle im Testbetrieb etabliert.
Die Aufgabe bzw. der Auftrag ist für OKs anders als bei freien Radios. Beide Formen gibt es in ähnlicher Ausstattung noch, doch das Interesse und Wissen darüber in der Bevölkerung hat ein ähnliches Schicksal erlitten wie die Klimaziele der Regierung Kohl.
In der föderalistischen Republik bestimmen die Länder, wie sie den Auftrag der Medienkompetenz für alle definieren und umzusetzen wünschen. Dazu schrieb C. Breunig schon 1998 in ‚Offene Fernseh- und Hörfunkkanäle in Deutschland. Media Perspektiven‘, dass Bürgermedien ihre Programme „weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit“ verbreiten. Das hat Nordrhein-Westfalen zum Anlass genommen, das unattraktive Kulturmonster faktisch abzuschaffen, indem es die Hürden so hoch legte (die Stichworte ‚Barrierefreiheit‘ und ‚niederschwellige Angebote‘ gab es noch nicht), dass niemand nur aus Interesse an kultureller Teilhabe imstande wäre, einen Beitrag zu leisten.
Aber die Digitalisierung hat in diesem Bereich etwas aufgefangen, denn mit NRWISION gibt es tatsächlich - neben dem einstündigen Zeitfenster auf den NRW-Lokalradios mit terrestrischer Verbreitung - ein relativ zugangsoffenes Medium für sendewillige Bewohner des Bundeslandes rund um die Ruhr.
Das mag auch den Geist der Zeit treffen. In der Schweiz ist die Abschaffung des Sendeweges Frequenzmodulation, wir nennen es auch Ultrakurzwelle (UKW), beschlossene Sache. Wie mir vor kurzem jemand sagte: fragt man junge Leute, ob sie Radio machen möchten, lehnen sie ab, nennt man es hingegen ‚podcast‘, sind sie begeistert dabei.
So nehmen wir auch anglizismusfreundliche Kapselverteiler (‚podcaster‘) auf, die sich via Online-Radiostationen engagieren. Auf der website der niedersächsischen Landesmedienanstalt werden diese nur kurz mit dem Satz erwähnt: ‚Daneben hat sich über das Internet eine große Anzahl von Hörfunkprogrammen etabliert.’ … ob ein ‚podcast‘ als ‚Hör-Funk-Programm‘ bezeichnet werden kann, ist insofern eine Interpretationsfrage, die wir hier nicht stellen.